Lehrer im Homeoffice – Erfahrungen mit dem digitalen Unterricht

Ein Bericht von Mathias Deger, Klassenlehrer eine Klasse 6 und Erkunde- sowie Religionslehrer in der Sekundarstufe I und II:

Als am Freitag, dem 13.3. die Gesamtschule Marienheide ihre Tore wegen des Corona-Virus für ungewisse Zeit schloss, war die Spannung bei allen Beteiligten groß: Wie wird das Unterrichten wohl klappen? Sind die Schüler und die Lehrer auf dieses Szenario ausreichend vorbereitet?

Schon eine Woche zuvor war die Schule wegen eines Corona-Falls in der Gemeinde am Freitag geschlossen worden, konnte aber nach dem Wochenende wieder geöffnet werden. Spätestens da wurden für den Fall einer längeren Schulschließung weitere Vorbereitungen getroffen, dass alle Schülerinnen und Schüler an Aufgaben bzw. Lernmaterial kommen. Die Schüler wurden aufgefordert, alle ihre Bücher mit nach Hause zu nehmen und sich mit der Cloud der Schule, wo jeder Lehrer diverse Ordner mit Lernstoff füllen kann, vertraut zu machen. Vergessene Passwörter wurden erneuert und der Umgang mit der Cloud geübt. Inhalte der Cloud sollten probeweise von Zuhause abgerufen und per Mail an die Lehrer zurückgeschickt werden. Hier konnten die Schüler beweisen, ob sie in den obligatorischen Computerkursen der Klassen 5 und 6 ausreichend gelernt hatten, mit dem Computer und dem Internet umzugehen. Schon wenige Tage später wurde aus diesem Spiel ernst. Aus Schulpflicht wurde Schulverbot: Die Gesamtschule Marienheide wurde, wie alle Schulen im Land NRW zunächst bis zum Ende der Osterferien geschlossen. Wie sieht die Situation seitdem aus Lehrersicht aus?

Schon kurz nach Bekanntgabe der Schulschließungen beschloss ich, meine Ordner in der Cloud für meine Schüler vor den entsprechenden Stunden im Stundenplan so zu füllen, dass alle Schüler genug zu tun haben würden. Dabei versuchte ich zunächst, den Aufwand der zu erfüllenden Aufgaben abzuschätzen, indem ich die Zeit für die ausfallenden Stunden plus die Zeit für mögliche Hauaufgaben berechnete. Schon nach wenigen Tagen merkte ich, dass der Fernunterricht allen Beteiligten viel abverlangte: Nach vielen schriftlichen Rückmeldungen von Schülern und Eltern musste ich meine wohl zu hoch gesteckten Erwartungen nach unten schrauben, weil sich einige Probleme bei der Bearbeitung der Aufgaben abzeichneten. Beklagt wurde u.a. eine zu große Fülle der zu erledigenden Aufgaben. Die Ursachen der Probleme lagen mitunter auch darin, dass viele Schüler zurzeit ganztägig allein zuhause sind, ihren Alltag ohne Schule nun allein organisieren müssen und sie ihre Aufgaben in der Fülle oftmals nicht ohne Hilfe bewältigen können. Eine individuelle Betreuung durch den Lehrer ist hier bei der konkreten Arbeit am Lernstoff wegen der Distanz sehr schwierig. Viele berufstätige Eltern können sich nach einem arbeitsreichen Tag auch nicht mehr um die Schulaufgaben der Kinder kümmern. In manchen Familien existiert kein Drucker, um Arbeitsblätter auszudrucken. Manchmal gibt es auch nur einen Computer und den brauchen dann Eltern selbst fürs Homeoffice. Vielen Schülern fehlt Zuhause auch ein Platz, um ruhig die Aufgaben bearbeiten zu können. Hinzu kommen Probleme und Ängste, die mit den Einschränkungen durch das Corona-Virus zusammen hängen.

Aber auch auf Lehrerseite gibt es Probleme, z.B. dass der eine Kollege nicht weiß, wie viele Aufgaben der andere aufgegeben hat und es in der Summe möglicherweise zu viele Aufgaben für die einzelnen Schüler sind. Niemand hat Erfahrung damit, wieviel man den Schülern in dieser Ausnahmesituation zumuten kann. Und wieviel ein Lehrer aufgibt, liegt letztendlich in seiner Verantwortung. Ich reduzierte daraufhin den Arbeitsumfang der eingestellten Materialien und bot die Aufgaben in Form eines Wochenplans an, um den Zeitdruck zu reduzieren und den Schülern die Gelegenheit zu geben, die gestellten Aufgaben dann zu lösen, wenn gerade für sie die richtige Zeit da ist. Nach zwei Wochen hatte sich das Arbeiten dann einigermaßen eingependelt.

Für mich ist es eine andere Situation als in der normalen Schulzeit, aber auch anders als in den Ferien. Ich habe jetzt das Bedürfnis, immer erreichbar für die Schüler zu sein. Dinge, die sonst in der Schule geklärt werden können, müssen nun von Zuhause per Mail geklärt werden. Da kommen Rückfragen zu den Aufgaben, Rückfragen zu Facharbeiten der Oberstufenschüler oder zu Abschlussnoten, die gerade jetzt für die Abiturienten interessant sind. Oder Meldungen von Schülern der Klasse, die sich einfach melden, um zu schreiben, wie es ihnen geht, was sie den ganzen Tag machen und die dann auf baldige Rückmeldung von ihrem Klassenlehrer hoffen. Absprachen zwischen den Lehrern, wie z.B. Abstimmungen über Bestellungen neuer Bücher oder über Änderungen im Medienkonzept, die sonst in der Schule im persönlichen Gespräch gemacht werden, müssen nun auf schriftlichem Wege gelöst werden.

Als Lehrer bin ich an die Arbeit im Homeoffice gewöhnt, werden doch normalerweise zahlreiche Arbeiten (Korrekturen, Vor- und Nachbereitung von Unterrichts, Elterngespräche) überwiegend nicht in der Schule, sondern Zuhause erledigt. Jetzt verschwindet jedoch zunehmend die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Am ungewöhnlichsten ist mir die Tatsache, dass ich die Schüler nicht zu sehen bekomme, sondern nur per Mail mit ihnen kommuniziere. Mögliche Probleme können nur aus der Distanz und zeitverzögert oder manchmal auch gar nicht geklärt werden, weil sie weder von mir beobachtet noch irgendwie von den Schülern oder Eltern kommuniziert werden.

Insgesamt stelle ich nach mehr als zwei Wochen Homeoffice fest, dass die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler durchaus ernsthaft an den erteilten Aufträgen arbeitet. Dennoch wünsche ich mir und allen Beteiligten, dass sich die Normalität möglichst bald wieder einstellt. Für die Zeit, in der die Schule wieder losgeht, habe ich mir vorgenommen, die Arbeit in den Klassen nicht genau so abrupt wieder aufzunehmen, wie sie am Freitag, dem 13., aufgehört hat. Trotz der verlorenen Wochen und trotz des nachzuholenden Stoffs. Ein Wandertag wäre gut. Ein Gang um die Bruchertalsperre. Oder etwas anderes, das erst mal wieder die Gemeinschaft stärkt, damit jeder spürt: Ich bin hier richtig und wichtig. Und danach muss ich jeden da abholen, wo er steht. So wie immer, nur jetzt anders.