Lehrerausbildung ohne Schüler?

Unterrichten Lernen in außergewöhnlichen Zeiten
Dienstag, 3. Mai. Erster Schultag für drei neue Referendare an der Gesamtschule Marienheide. Freundlich werden sie von den Ausbildungsbeauftragten der Schule, Petra Petri und Mathias Deger sowie dem Schulleiter Wolfgang Krug empfangen. Ihnen wird die Schule mit den zahlreichen Klassen- und Fachräumen gezeigt, die Schlüssel werden übergeben und sie werden mit den sonstigen schulischen Gegebenheiten vertraut gemacht. Alles ist gut vorbereitet nur eines fehlt: die Schüler, die es zu unterrichten gilt, sowie die Lehrer, von denen man etwas lernen soll. Aufgrund der immer noch hohen Inzidenzen im OBK ist die Schule seit Wochen geschlossen und ein Ende ist zurzeit noch nicht absehbar. Wie soll da eine qualifizierte Ausbildung für die neuen Lehramtsanwärter stattfinden? Eine Situation, für die Petri und Deger noch am richtigen Konzept arbeiten, und die sie zum Improvisieren zwingt.
Zum Glück sind einige wenige Abschlussklassen (Q1 und 10er Klassen) noch da, die in der Schule beschult werden. Einige wenige Lehrer von über 100 Lehrern der Gesamtschule Marienheide sind täglich in der Schule, bei denen die Referendare zunächst hospitieren und bald hoffentlich erste eigene Unterrichtserfahrungen sammeln können. Für eine qualifizierte Ausbildung ist das jedoch viel zu wenig. Das wissen auch Petri und Deger. Also werden Kolleginnen und Kollegen gesucht, die die Anfänger mit in ihren Online-Unterricht nehmen. Aber auch hier ist es für die Lehramtsanwärter schwierig, reale Unterrichtserfahrungen zu sammeln, läuft doch der Distanzunterricht unter völlig anderen Bedingungen ab als der normale Unterricht. Man sieht die Schüler in der Regel am PC nicht und lernt wenn überhaupt nur ihre Namen und ihre Stimmen kennen. Viele sonst im normalen Unterricht durchgeführte Methoden und Interaktionen sind am PC nicht möglich und können somit nicht eingeübt werden. Die Kontrolle des Gelernten seitens der Ausbilder ist auch nur schwer möglich.
Mathias Deger erinnert sich an die letzte Examensprüfung des letzten Durchgangs im März. Hier konnte eine Unterrichtsstunde wegen fehlender Schüler nur simuliert werden: Vorne stand die Lehrerin, hinten saßen die Prüfer. Dazwischen die leeren Bänke mit Schildchen mit Namen der Schüler darauf. Die Referendarin begrüßte die nicht vorhandenen Schüler und simulierte etwa 40 Minuten lang jeweils die möglichen Reaktionen der nicht vorhandenen Schüler, bis die Prüfung zu Ende war. Eine skurrile Situation, die wenig mit der Realität zu tun hatte und besonders der Referendarin ein Höchstmaß an Konzentration abverlangte. Der letzte Referendarsdurchgang hatte seine Ausbildung noch unter normalen Bedingungen mit Schülern und Lehrern in der Schule beginnen können, aber dann ohne Schüler beenden müssen. Jetzt ist die die Situation genau umgekehrt: Jetzt sind keine Schüler und keine Lehrer da, von und mit denen man etwas lernen könnte. Es bleibt die Hoffnung, dass wenigstens am Ende der Ausbildung alles wieder normal sein wird.