Viel Wärme im kalten Norden – ERASMUS Job-Shadowing in Uppsala

von David Klepper, Lehrer für Biologie und Deutsch

Ich hatte Anfang November die Gelegenheit, für eine Woche die „Nannaskolan“ in Uppsala (Schweden) im Rahmen eines sogenannten „Job-Shadowings“ des ERASMUS+ Programms zu besuchen. Ziel war es, Einblicke in den Unterricht und Unterrichtsmethoden insbesondere in den MINT-Fächern zu erhalten, Konzepte des individuellen Lernens und der Begabungsförderung kennenzulernen und mich vor Ort mit Lehrkräften und Schulleitung über Schulentwicklungsideen sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede des deutschen und des schwedischen Schulsystems auszutauschen.
Die Nannaskola ist eine zentral gelegene Mittelschule mit künstlerisch-musischem Schwerpunkt und wird von etwa 450 Schüler*innen der Jahrgangsstufen 7 – 9 besucht. Was mir vom ersten Tag an auffiel: die außergewöhnlich positive, entspannte und warme Atmosphäre zwischen allen Menschen an der Schule. Schüler*innen und Lehrer*innen inklusive der Schulleitung begegnen sich bereits vor Unterrichtsbeginn beim gemeinsamen Frühstück in der Mensa und treffen sich dort ebenfalls beim Mittagessen wieder, was man sich bei einem Angebot wie diesem auch nicht entgehen lassen sollte (während meines Aufenthaltes hatte die Schulmensa gerade eine Auszeichnung als eine der besten Schulmensen Schwedens erhalten).
Aber das große Gemeinschaftsgefühl setzte sich im Klassenraum fort: Klassen- und Fachlehrer*innen nehmen sich regelmäßig viel Zeit, um mit den Schüler*innen gemeinsam über anstehende Termine, Projekte, Arbeiten und Ziele des Monats zu sprechen, ihre Woche zu planen, und auf individuelle Sorgen, Probleme und Wünsche einzugehen. Die zeitlichen und personellen Ressourcen dafür, ebenso wie für Auffang- und Differenzierungsgruppen können im schwedischen Schulsystem teilweise leichter aufgebracht werden, da die Schulleitung mehr Verfügungsgewalt darüber hat, wie viel Personal sie für welche Positionen einstellen möchte als es im deutschen Schulsystem der Fall ist. Doch auch während der regulären Unterrichtszeit wird dieser wertvollen Arbeit mit den Schüler*innen bereits viel Raum gegeben. Schulleiter Henrik Ljungblom berichtet, dass er bereits bei der Einstellung neuen Personals kommuniziere, welch hohe Bedeutung der Zusammenarbeit und transparenten Kommunikation auf allen Ebenen zwischen Kolleg*innen sowie der Schüler*innenschaft und ihren Erziehungsberechtigten zukomme. Und das trägt Früchte! Die Nannaskola ist eine sehr beliebte Schule und erfreut sich Jahr für Jahr hoher Anmeldezahlen.
In Deutschland wird das Schulsystem skandinavischer Länder bisweilen als eine Art Vorbild beschrieben und obgleich einzelne Entscheidungen und Zustände des Schulsystems im Norden hierzulande positiv wahrgenommen werden und durch die Medien bekannt werden (etwa die teils kleineren Klassen- und Kursgrößen, ein anderer Umgang mit digitalen Medien im Unterricht, mehr Gestaltungsfreiheit für Schüler*innen während des Schultags…) muss doch beachtet werden, dass das schwedische Schulsystem von Grund auf anders strukturiert ist. Auch in der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Kommunen können viele Entscheidungen sehr flexibel getroffen werden und pädagogische Konzepte entspringen selbstverständlich einer anderen

Tradition als wir es in Deutschland kennen. Gleichwohl berichteten mir mehrere Kolleg*innen, dass sich auch die Nannaskola (sowie viele andere schwedische Schulen) Herausforderungen stellen muss, die uns an deutschen Schulen begegnen. Zuversichtlich ist man trotzdem: gemeinsames Unterrichten aller Leistungsniveaus in einem Kurs ohne eine äußere Differenzierung in E- und G-Kurse verlange den Lehrkräften ein hohes Maß an Binnendifferenzierung und Flexibilität ab, biete aber auch große Chancen, berichten mir zwei Mathematiklehrer*innen. Zum einen seien Materialien wie z.B. das Mathematikbuch durch alle Themenbereiche hinweg dreifach differenziert, zum anderen stelle man positiv fest, wie schwächere Schüler*innen von der Zusammenarbeit mit stärkeren Schüler*innen profitieren können. Gegenseitiges Unterstützen und ein hohes Maß an Respekt der Schüler*innen untereinander sind allgegenwärtig und die Schüler*innen zeigen große Motivation in dem größtenteils sehr praktisch angelegten Unterricht: umfangreiche Unterrichtsangebote in den Fachbereichen Hauswirtschaft, Handwerk und Textil sowie spannende Materialien im Technik- und Physikunterricht bieten attraktive Lernanreize für die Jugendlichen. Einzelne Kolleg*innen nehmen die Rolle von Multiplikator*innen innerhalb des Kollegiums ein und geben methodisches und didaktisches Wissen in regelmäßig stattfindenden Konferenzen weiter, welches anschließend mit allen Kolleg*innen einer Fachschaft zusammen bei der Ausarbeitung von Unterrichtsmaterialien genutzt wird, die alle gleichermaßen verwenden. Einblicke in methodische und didaktische Literatur sowie derart entwickelte Materialien und Unterrichtskonzepte gewährte mir Maria Forsberg Hörnvall, die an der Schule die Fächer Mathematik und Technik unterrichtet und als Lehrbeauftragte tätig ist.
Jeden Eindruck und jede Idee hier zu schildern, die ich von der Schule und der bezaubernden Stadt Uppsala mitnehmen durfte, würde den Rahmen sprengen, jedoch bin ich motivierter denn je, mit frischen Ideen und neuen Perspektiven in den Schultag zu starten, habe bereits begonnen, einzelne Unterrichtsmethoden, die ich sehen durfte, mit Schüler*innen zu erproben und freue mich bereits sehr auf den Besuch der schwedischen Kolleg*innen und Schüler*innen im Frühjahr 2026!

Ein Besuch auf der Schulhomepage lohnt sich! https://nannaskolan.uppsala.se/