Exkursion des Jahrgangs 11 ins Archiv des Liberalismus

Zu den Kümmernissen eines Geschichtslehrers gehört es, dass der Unterrichtsstoff im Schulbuch häufig sehr trocken daherkommt. Wie soll man es den Schülern begreiflich machen, dass das, was da in einförmiger 12-Punkt-Schrift als Quelle in den Büchern steht, einst von historischen Akteuren aus Fleisch und Blut erdacht und verfasst wurde? Wie ihnen veranschaulichen, dass sich unsere Sicht auf die Geschichte aus vielen einzelnen Dokumenten und Perspektiven zusammensetzt, die dann von den Nachgeborenen eingeordnet und bewertet werden?

Da trifft es sich für unsere Schule sehr gut, dass sich in Gummersbach das Archiv des Liberalismus “Für die Freiheit” der Friedrich Naumann Stiftung (www.archiv.freiheit.org) angesiedelt hat, das zentrale Archiv für den politischen Liberalismus in Deutschland nach 1945. Nach einem vorbereitenden Besuch der Marienheider Geschichtsfachschaft im letzten Jahr durften die Geschichtslehrer Frau Landmesser, Herr Giesler und Herr Vollmer am 30. Januar 68 Schüler der Jahrgangsstufe 11 dorthin begleiten. Es war der Jahrestag der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, sodass sich hier thematische Verknüpfungspunkte mit der methodischen Archivarbeit anboten. Das Archiv unter der Leitung von Prof. Dr. Ewald Grothe hatte uns freundlicherweise einen ganzen Vormittag und die sachkundige Anleitung durch sechs wissenschaftliche Mitarbeiter zur Verfügung gestellt, um die große Anzahl von Schülern nicht nur theoretisch in die Archivarbeit einzuführen, sondern sie auch anhand der selbstständigen Bearbeitung “echter” Quellen mit der Praxis eines Historikers vertraut zu machen. In mehreren Gruppen konnten die Schüler zunächst bei einem Vortag, dann bei der Führung erleben, was ein solches Archiv an Papiermengen und gegenständlichen Quellen alles sammelt, konserviert, katalogisiert und wissenschaftlich aufarbeitet, um es anschließend der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nach einem Vortrag von Dr. Jürgen Frölich zu Theodor Heuss im Jahre 1933 arbeiteten die Schüler dann in Gruppen jeweils an einer schriftlichen Quelle, die jeweils eine eigene Perspektive auf die Haltung der liberalen Fraktion im Reichstag zum “Ermächtigungsgesetz” eröffnete, welches bei der Errichtung der Nazidiktatur entscheidend war. Im Anschluss wurden die Schülerergebnisse dann im Plenum präsentiert und ausgewertet.

Es war für die Schüler und uns Lehrer ein erfolgreicher Tag. Wieder hat es sich gezeigt, wie wertvoll solche Gelegenheiten sind, Geschichte als Teil unserer Lebenswirklichkeit jenseits des Klassenzimmers zu erleben. Wir danken den Mitarbeitern des Archivs des Liberalismus sehr dafür.

(LAN)